Barrierefreiheit im öffentlichen Raum wird durch Stadtumbau vorangebracht
Den öffentlichen Raum barrierefrei zu gestalten, hat sich die Stadt Hanau zum Ziel erklärt. Sie setzt damit bei der Gestaltung von Straßen und Plätzen die UN-Konvention um, in der die Grundrechte von Menschen mit Behinderungen verbrieft sind. „Der Stadtumbau hilft uns bei diesem Teil der Inklusion beträchtlich, damit die größtmögliche Teilhabe von Menschen mit Einschränkungen im Lebensalltag gefördert wird“, sagt Hanaus Bau- und Verkehrsdezernent Andreas Kowol. Den „Tag des Weißen Stocks“ am 15. Oktober, den Verbände von Blinden und Sehbehinderten 2014 zum 50. Mal begehen, nimmt der Stadtrat zum Anlass für eine Bestandsaufnahme.
In Verantwortung von Sozial- und Schuldezernent Axel Weiss-Thiel begann der Inklusionsprozess in Hanau im Dezember 2011. Eingebunden waren Sozialverbände, Staatliches Schulamt und Fachleute der Stadtverwaltung. Sie bildeten zwei Arbeitsgruppen, eine zu Bildung und Schule sowie eine zweite zum Themenkreis „Barrierefreiheit und öffentlicher Raum“. Zu den herausgearbeiteten Grundsätzen für den öffentlichen Raum zählen unter anderem: Hindernisse bei Grundinstandsetzungen, Neubauten und Erweiterungen beim Zugang öffentlicher Gebäude und Freizeitflächen, ebenso an Bushaltestellen Schritt für Schritt zu beseitigen.
„Die neuen, durch den Stadtumbau entstandenen Bushaltestellen beispielsweise am Kanaltorplatz hat der örtliche Blinden- und Sehbehindertenbund bereits ausdrücklich gelobt“, weiß Stadtrat Kowol zu berichten. Dort wie auch am Busbahnhof Freiheitsplatz, am Marktplatz, an Hauptbahnhof und anderen Schwerpunkt-Haltestellen besteht die barrierefreie Ausstattung für Sehbehinderte in Rillenplatten zum Tasten mit dem Blindenstock und in akustischen Verbindungsansagen per Knopfdruck.
Die Stadt Hanau hat sich freilich noch viel mehr vorgenommen und teils durch den Stadtumbau schon umgesetzt: Eine angemessene Zahl von Sitzplätzen mit ausreichender Sitzhöhe, Rückenlehne und Armstützen ist nicht nur an den neuen Bushaltestellen vorzufinden, sondern auch in den umgestalteten Fußgängerzonen. Bodenstrukturen an Pflasterflächen wie in den Fußgängerzonen sind so gewählt, dass blinde und sehbeeinträchtigte Menschen sich besser orientieren können. Damit setzt Hanau das um, was der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV) fordert.
Demnach sind „möglichst gute Hell-Dunkel-Kontraste“ am Rand begehbarer Bereiche notwendig. Ebenso helfen sogenannte taktile Leitlinien, also Orientierungshilfen entlang von Gehflächen durch Aufkantungen und unterschiedliche Fußbodenbeläge. Vor Treppen und feststehenden Elementen empfiehlt der DBSV ein deutlich unterscheidendes Aufmerksamkeitsfeld durch taktil und optisch kontrastierende Bodenbeläge.
In der modernisierten Fußgängerzone Fahrstraße fällt bei genauem Hinsehen auf, das an den meisten Geschäftseingängen niveaugleich gepflastert wurde. Vor dem Umbau gab es Zentimeter hohe Kanten zwischen Gehwegbelag und Platten direkt vor den Eingangstüren; das waren bisher bauliche Hindernisse für seh- und mobilitätseingeschränkte Menschen.
Der städtische Eigenbetrieb Hanau Infrastruktur Service (HIS) hat weitere Planungsanforderungen aufgelistet, darunter das Gewähren stufenloser, mit möglichst wenig Gefälle versehener Wegeverbindungen für Menschen mit Rollator oder Rollstuhl. Ebenso liegt ihm an erschütterungsarmen, trittsicheren und rutschfesten Oberflächen von Bodenbelägen, womit Natur- und Betonsteinpflaster sowie Betonplatten und Asphalt gegenüber Sand, Kies oder Splitt favorisiert werden.
An Straßen-Querungsstellen sollen - neben niveaugleichem Bau - Mittelinseln helfen. An Haltestellen gilt folgender Dreisatz: Leitstreifen mit Längsführung (Rillenplatten) helfen beim Gehen, Noppenfelder sollen auf Hindernisse aufmerksam machen, eine Rillenstruktur parallel zum Bordstein dient als Stopp-Hinweis, um Sehbehinderte zusätzlich zu sichern.
Bushaltestellen sind bis Ende dieses Jahres in Hanau zu fast 40 Prozent barrierefrei ausgebaut. Über diese 136 Haltestellen hinaus sollen bis 2018 weitere rund 50 entlang der Buslinien 4, 6 und 7 in Steinheim, Klein-Auheim und Großauheim hinzukommen. Voraussetzung ist dafür, dass das Land Hessen weiterhin entsprechende Fördermittel zur Verfügung stellt, wie bisher.
Zur barrierefreien Innenstadt gehören auch behindertengerechte Toiletten. In wenigen Wochen ist eine solche auf der Nordwest-Ecke der Marktplatz-Tiefgarage fertig gestellt. Im kommenden Jahr kommt auf dem Freiheitsplatz an der dort neu entstehenden Mobilitätszentrale für den ÖPNV eine weitere hinzu.
Zu den künftigen HIS-Vorhaben für noch mehr Barrierefreiheit zählen taktile Leitsysteme aus thermoplastischem Polyurethan. Die können auf Bodenbelägen nachträglich kostengünstig aufgeklebt werden, damit Sehbehinderte über eine ähnliche Noppen- und Rillenstruktur wie im Straßenpflaster in Gebäuden geführt werden können.
„Bis 2018, so unser erklärter Wille, sollen verstärkt Barrieren im Stadtbereich abgebaut werden“, versichern die Stadträte Weiss-Thiel und Kowol. Entsprechenden politischen Nachdruck, diese Leitlinie umzusetzen, gibt ein Stadtverordnetenbeschluss vom Juni 2014.